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Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?
Dieser Beitrag wurde am 23.09.2016 auf bento.de veröffentlicht.
Genf, Tokio, Hawaii: Der junge Edward Snowden kommt ganz schön rum als Mitarbeiter der Geheimdienste. Oliver Stone folgt ihm in seinem Biopic "Snowden"und zeichnet nach, wie aus einem libertär gesinnten Computerfreak der Whistleblower wurde, der skandalöse Überwachungsmethoden enthüllte.
In seinem Film taucht Stone tief in die Welt der Überwacher ein und zeigt das Innenleben des US-Geheimdienstes NSA, das Snowden anfangs so faszinierte. Mit Hackerfantasien für dramatische Effekte übertreibt es der Film dabei nicht:
Können Geheimdienste eine Webcam heimlich anschalten?
"Ich habe doch nichts zu verbergen", sagt Snowdens Freundin Lindsay Mills im Film, als sie einen kleinen Aufkleber von der Webcam ihres Laptops entfernt. Snowden hatte ihn dort angebracht. Es kommt zum Streit. Denn Snowden fühlt sich beobachtet. Er weiß: Die NSA kann die Webcams ferngesteuert einschalten.
Tatsächlich beweisen die Snowden-Enthüllungen, dass genau das möglich ist: Einige seiner geleakten Dokumente gehen auf ein Plug-in der NSA namens Gumfish ein. Damit übernehmen die NSA und andere Partnergeheimdienste die Kamera von infizierten Rechnern und spähen den unwissenden Besitzer aus. Ein weiteres Plug-in der Amerikaner namens CaptivatedAudience übernimmt das Mikrofon und zeichnet Gespräche in der Umgebung auf.
Die NSA kann die Webcams ferngesteuert einschalten.
Diese Spähmethode war genau genommen schon vor Snowden bekannt. Die IT-Sicherheitsfirma Kaspersky etwa entdeckte 2012 ein Spionage-Tool namens Flame mit ähnlichen Funktionen. Wer denkt, dass er einfach auf das Lichtchen neben der Kamera achten muss, um zu bemerken, dass die Kamera an ist, täuscht sich. Hacker können diese Funktion umgehen, sogar bei Computern, die extra Vorkehrungen eingebaut haben, dass genau das nicht passiert.
Was früher als Paranoia galt, hat sich seit Snowdens Enthüllungen immer weiter durchgesetzt: Sogar Facebook-Chef Mark Zuckerberg veröffentlichte ein Foto, auf dem im Hintergrund sein Rechner mit abgeklebter Kamera zu sehen ist.
Hier ist der Trailer zu "Snowden":
Hilft eine Mikrowelle gegen Smartphone-Spitzel?
In seinem Hotelzimmer in Hongkong konfisziert Snowden im Film als erstes die Handys der drei Journalisten, die ihn dort befragen und filmen: Laura Poitras, Glenn Greenwald und Ewen MacAskill müssen ihre Geräte in eine Mikrowelle stecken, die Snowden sich extra angeschafft hat. So will der Whistleblower verhindern, dass Geheimdienste die Geräte als Wanze missbrauchen, um den Raum abzuhören.
Tatsächlich haben Geheimdienste die Möglichkeit, Smartphones aus der Ferne zu kapern oder ihnen durch sogenannte "stille SMS" Informationen zu entlocken. Das sind für den Benutzer unsichtbare Pings, die automatisch beantwortet werden und dem Absender dadurch Informationen über den Standort des Geräts mitteilen. Selbst wenn man das Handy ausschaltet, ist man nicht sicher vor solchen Spähmaßnahmen. Die Idee hinter Snowdens Aktion: alle elektromagnetische Strahlung des Mobilfunknetzes abschirmen durch einen faradayschen Käfig und so Angriffe verhindern.
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Eine historische Ungenauigkeit leistet sich der Film aber: Tatsächlich bat Snowden seine Besucher, ihre Geräte in den Kühlschrank des Hotels zu stecken, nicht in eine Mikrowelle. Auch ein Kühlschrank ist in der Regel stark gedämmt. Medien wie die "New York Times" bezweifelten aber, dass ein Kühlschrank tatsächlich einen ausreichenden Schutz bietet.
Das Problem, dass das eigene Smartphone zur Wanze umfunktioniert werden könnte, geht Snowden nun im Exil an: Er hat sich mit einem bekannten US-Hacker zusammengetan und will eine Smartphonehülle entwickeln, die dem Besitzer anzeigt, wenn das Handy heimlich Daten funkt.
Gibt es eine Supersuchmaschine der Geheimdienste, die Zugriff auf private Chats und Daten hat?
Bei seinem Auslandseinsatz als CIA-Mitarbeiter in Genf trifft der noch relativ unbedarfte Snowden im Film auf den coolen NSA-Hacker Gabriel Sol, der Snowden den Spitznamen "Schneewittchen" verpasst. Sol zeigt Snowden eine Suchmaschine für Geheimdienste, die Snowden zugleich fasziniert und abstößt. Er tippt im Film einige Suchkriterien ein und erhält sofort Zugriff auf alle erdenklichen digitalen Informationen: Das Facebook-Profil seiner Zielperson ist genauso wenig sicher vor NSA-Mann Sol wie private E-Mails, Chats, oder die Webcam.
Tatsächlich existiert das Super-Google in der Welt der Geheimdienste
Die Darstellung des Programms wirkt im Film überzeichnet. Mancher Zuschauer könnte glauben, dass es genauso realistisch ist wie ein James-Bond-Auto auf der deutschen Autobahn. Doch tatsächlich existiert das Super-Google in der Welt der Geheimdienste, wie Snowdens Enthüllungen bewiesen haben: Das Programm heißt XKeyscore und ermöglicht laut einer geleakten NSA-Präsentation die Erfassung von "Zielaktivität in Echtzeit" und bietet einen "durchlaufenden Pufferspeicher", der "ALLE ungefilterten Daten" umfasst, die das System erreichen. Gesucht werden kann nach einer konkreten E-Mail-Adresse genauso wie nach "weichen Kriterien", etwa der benutzten Sprache. Das Programm wird auch vom deutschen Verfassungsschutz verwendet.
War der Zauberwürfel wirklich Snowdens Erkennungszeichen?
Die Enthüllungsjournalisten Poitras und Greenwald treffen Snowden im Film in einem Einkaufszentrum, das mit dessen Hotel in Hongkong, dem Mira, verbunden ist. Als Erkennungszeichen hat Snowden einen Zauberwürfel benannt und festgelegt, dass er sich mit einer kurzen Konversation über ein Restaurant zu erkennen geben wird.
In diesen entscheidenden Szenen bleibt der Film sehr nah am Original: Tatsächlich ist bekannt, dass das erste Treffen der beiden Seiten genau so ablief. Später vertraute Snowden einem Journalisten der "New York Times" an, dass es aber zunächst Spannungen zwischen Greenwald, Poitras und ihm gab: "Ich glaube, sie waren verärgert, zu sehen, dass ich so viel jünger war als sie angenommen hatten. Ich war verärgert darüber, dass sie zu früh am Treffpunkt waren."
Der Zauberwürfel spielte in der Snowden-Geschichte also tatsächlich zumindest symbolisch eine große Rolle. Dass Snowden ihn auch dazu verwendet hat, Speichermedien von seinem Arbeitsplatz in Hawaii nach Hause zu schmuggeln, wie im Film dargestellt, ist aber nicht überliefert.
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